Die Trächtigkeit der Häsin

„Sich wie die Karnickel vermehren“ ist ein Sprichwort, das nicht von ungefähr kommt. Die Natur hat bei Kaninchen zwei „Einrichtungen“ geschaffen, die eine hohe Fortpflanzungsrate erlauben. Auf der anderen Seite stehen natürlich die kurze Tragzeit und die hohe Anzahl der Jungen pro Wurf im Raum, die die enorme Reproduktionsrate der Kaninchen erklären.

Trächtigkeit Kaninchen

Ein weibliches Kaninchen, auch Zibbe oder Häsin genannt, kann pro Jahr zwischen 5 und 11 Würfe aufziehen – und das im monatlichen Abstand. Die Wurfstärke, also die Anzahl der Jungen pro Wurf, variiert dabei mit 2 bis 12 recht stark. Eine Häsin kann mit einem Rammler also rein rechnerisch innerhalb eines Jahres für 132 kleine Kaninchenkinder sorgen. Bedenkt man die Geschlechtsreife der einzelnen Jungtiere auch noch, wird einem bei der Anzahl der möglichen Nachkommen innerhalb eines einzigen Jahres schwindelig.

Die Paarungszeit bei Kaninchen

Während man bei Katzen von der Rolligkeit oder bei Hunden von der Läufigkeit spricht, haben Kaninchen keinen festgesteckten Zeitraum, in dem sie zur Paarung bereits sind. Das Hauskaninchen ist das ganze Jahr über empfangsbereit, einen erkennbaren oder regelmäßigen Zyklus gibt es bei ihnen nicht.

Es gibt aber Perioden, in denen die Zibbe ganz besonders deckbereit ist, dann spricht man von der Brunst oder Hitze. In dieser Zeit ändert sich das Verhalten der Kaninchendame, auch körperliche Anzeichen sind erkennbar. So schwellen etwa die Schamlippen an und färben sich bläulich-rot, das Hinterteil wird beim darüberstreichen leicht angehoben, auch häufiges Harnen kann auf eine erhöhte Deckbereitschaft der Häsin hinweisen.

Im Verhalten sind hitzige Zibben häufig richtig Zippen und können ganz schön unruhig sein. Manchmal hört man auch ein komisches Knurren oder gar Klagen von ihnen.

Besonderheiten der Trächtigkeit beim Kaninchen

Wie eingangs schon erwähnt, hat die Natur beim Kaninchen ihre Besonderheiten eingebaut. Bei anderen Tierarten reift für Gewöhnlich eine Eizelle heran, der Eisprung folgt und während dieser Zeit kann eine Befruchtung erfolgen, was durch die besondere Paarungsbereitschaft der jeweiligen Tierart angezeigt wird. Wird das Ei während dieser Zeit nicht befruchtet, beginnt der Zyklus von vorne und es reift eine neue Eizelle heran.

Beim Kaninchen gibt es keinen solchen Sexualzyklus, wie er bei anderen Tierarten – und beim Menschen – vorkommt. Bei der Häsin werden mit Beginn der Pubertät fortlaufend Eier in den Eierstöcken gebildet, sodass permanent reife, befruchtungsfähige Eier zur Verfügung stehen. Erfolgt kein Eisprung, verkümmern die ersten reifen Eier wieder, während die nächsten schon nachgeschoben werden.

Kopulationsinduzierte Ovulation:

Der Clou, den sich die Natur hier hat einfallen lassen ist der Auslösemechanismus für den Einsprung. Dieser wird nämlich in der Regel erst durch den Deckakt selbst ausgelöst, was die Effizienz der Paarung enorm erhöht. Man spricht hier von der kopulationsinduzierten Ovulation.

Es gibt neben dem Deckakt allerdings auch andere Einflüsse, die einen Eisprung bei der Häsin auslösen können. Zum Beispiel das Aufreiten anderer Häsinnen bei einer zuchtreifen Häsin. So wird dann zwar der Eisprung ausgelöst, eine Befruchtung findet mangels männlichen Gegenparts hingegen nicht statt. Dennoch entstehen auch ohne eine Befruchtung Gelbkörper, die Hormone produzieren (Progesteron), welche für das Aufrechterhalten der Trächtigkeit verantwortlich sind.

Sie gaukeln dem Körper also eine Trächtigkeit vor und sorgen dafür, dass während dieser Zeit keine neue Bedeckung zum Erfolg führt. Nach rund 18 Tagen ist der Gelbkörper wieder abgebaut, die so genannte Scheinschwangerschaft beendet und die Häsin wieder deckbereit.

Doppelter Uterus:

Eine weitere Besonderheit bei der Häsin, und bei vielen weiteren Kloaken- und Nagetieren, ist das Vorhandensein von zwei unabhängigen Fortpflanzungsorganen, des so genannten Uterus duplex.

Das macht es möglich, dass die Häsin schon bei einer bestehenden Trächtigkeit erneut gedeckt werden kann. So bestehen zwei unterschiedlich weit entwickelte Trächtigkeiten zur selben Zeit und damit auch zwei unterschiedliche Geburtstermine. Zwischen zwei Geburten liegen bei einer Doppelträchtigkeit somit keine 31 Tage, sondern beispielsweise nur 14 Tage. Dieses, als Superfötation bezeichnete Szenario ist allerdings höchst selten.

Resorption:

Deutlich häufig, vor allem bei wildlebenden Kaninchen, kann es hingegen zur so genannten „intrauterinen Resorption“ kommen. Lassen die äußeren Umstände eine Aufzucht der bereits im Mutterleib angelegten Embryonen nicht zu, zum Beispiel bei Futtermangel, ist der Kaninchenkörper dazu in der Lage, die Embryonen zurückzubilden und aufzulösen. Der Körper resorbiert die Leibesfrucht und sorgt damit für eine natürliche Regulierung der Kaninchenpopulation.

Typische Trächtigkeitsanzeichen erkennen

Aufgrund der Besonderheiten ist die Paarung bei Kaninchen hocheffizient und die Bedeckung führt in der Regel schon beim ersten Mal zum Erfolg. Dennoch will sich der Kaninchenhalter sicher sein, ob seine Häsin nun tragend ist oder nicht und er nach rund 31 Tagen (+/- 3Tage) mit Nachwuchs rechnen kann. Um das herauszufinden gibt es diverse Möglichkeiten.

Der Test:

Die einfachste ist wohl der „Test“ am Rammler. Etwa 10 bis 14 Tage nach der ersten Bedeckung kann die Häsin erneut dem Rammler vorgestellt werden. Lässt sie den Deckakt erneut zu, dann kann davon ausgegangen werden, dass die Zibbe beim ersten Mal nicht tragend geworden ist.

War der erste Akt dennoch erfolgreich, kann es durch die erneute Bedeckung in sehr seltenen Fällen zur Superfötation kommt und der Halter wird mit einer zweiten Geburt überrascht.

Fühlen:

Eine weitere Möglichkeit, die allerdings ein wenig Übung erfordert, ist das Betasten der vorderen Bauchpartie. Hierzu wird die vordere seitliche Bauchregion an beiden Seiten vorsichtig abgetastet. Ist die Häsin tragend, kann man kleine, Kotkügelchen-große Embryonen ertasten, die sich wie an einer Perlenschnur aufgereiht unter den Fingern präsentieren.

Die echten Kotkügelchen liegen zwar ebenfalls in einer Reihe hintereinander im Enddarm. Der befindet sich allerdings im hinteren Teil der Bauchhöhle und nach ein wenig Übung läuft man wenig Gefahr, dass man die Kotkügelchen mit Embryonen verwechselt.

Das Verhalten:

Ein weiteres, untrügliches Anzeichen für eine trächtige Häsin ist ihr Verhalten. Das ändert sich nämlich im Vergleich zu vorher mitunter recht deutlich. So können tragende Häsinnen scheu, nervös, aber auch richtig kratzbürstig sein. Sie laufen nervöser im Stall umher, scharren häufiger und tragen Nistmaterial zusammen.

Etwa eine Woche vor dem Geburtstermin wird es dann ziemlich auffallend mit dem Verhalten. Neben der Umfangsvermehrung der Häsin selbst, geht es an den Nestbau und dazu wird die Einstreu mit Inbrunst bearbeitet, bekaut und festgestopft. Mit dem Auszupfen der Bauchwolle wird zu guter Letzt das Nest schön weich ausgepolstert und ganz nebenbei die Zitzen freigelegt, damit die kleinen Hasenkinder es beim Säugen leichter haben. Wann das Auszupfen der Bauchwolle beginnt, ist dabei von Häsin zu Häsin unterschiedlich. Einige beginnen Tage vorher, andere warten bis unmittelbar vor oder auch nach der Geburt damit.