Angora Kaninchen

Einst als Englisches Seidenkaninchen bezeichnet, machte man sich die vorzügliche Wollqualität ihres Fells nutzbar, indem man Angorakaninchen bis zu einem Kilogramm Wolle pro Jahr „abnahm“. Noch heute werden Angorakaninchen zu Zwecken der Wollgewinnung gehalten, eine Faser die mit wärmenden und schweißabsorbierenden Eigenschaften glänzt.

Aufgrund der zum Teil gewaltsamen „Wollernte“ und den mit dem Tierschutz nicht zu vereinbarenden Haltungsbedingungen der Angorakaninchen, verzichten aber bereits viele namhafte Hersteller aus der Bekleidungsproduktion auf die Verarbeitung von Angorawolle!

Herkunft der Angora Kaninchen

Über die genaue Herkunft der Angora Kaninchen ist wenig bekannt, vermutlich finden sich ihre Wurzeln in der Türkei, von wo aus sie nach England kamen. Ab hier ist ihr Werdegang gut dokumentiert und geht über 300 Jahre in der Geschichte zurück.

1707 wurden die langhaarigen Kaninchen als „White shock Turky Rabbit“ erwähnt, gute 70 Jahre später kamen sie dann erstmals auch nach Deutschland. Von Meyersbach führte die ersten Albinos nach Franken ein, von wo aus sie sich, dank der Förderung eines Pfarrers aus Oberneit, schnell in ganz Deutschland und Holland verbreiteten.

Die Zucht dieser Wollkaninchen wurde außerdem staatlich gefördert, übrigens nicht zum letzten Mal, wie die Geschichte des Angora Kaninchens noch zeigen wird. Natürlich wurde das Angora Kaninchen auch auf der ersten Kaninchenschau Ende des 19. Jahrhunderts in Chemnitz gezeigt und Julius Lohr verfasste erste Bestimmungen zur Bewertung der Langohren.

Wert legte man in der Zucht der nachfolgenden Jahre hauptsächlich auf die Verbesserung bzw. Verlängerung der Haarpracht des Angoras. Zwar wurde im Standard „nur“ eine Haarlänge von 25 cm gefordert, es wurden aber auch Rassevertreter mit deutlich längeren Haaren vorgestellt, obwohl die Wollproduktion noch nicht im Vordergrund stand.

Das Angora wird zum Wolllieferanten

Die industrielle Verwertung der Angorawolle wurde mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs stark gefördert. Nach Kriegsende brach sie aber genauso schnell wieder zusammen, die Wollpreise verfielen. Das änderte sich mit dem Zweiten Weltkrieg schlagartig, denn hier erfuhr die Verbreitung der Wolle liefernden Kaninchen einen Aufwind ohne gleichen. Schuld daran war die Beschlagnahmung der erzeugten Wolle, die vollständig der Kriegswirtschaft zugeführt wurde. Immer mehr Angorafarmen, sowohl staatlicher als auch privater Natur, schossen wie Pilze aus dem Boden.

Mit Kriegsende bekam die Verbreitung der Angora Kaninchen nochmals einen Rückschlag, erholte sich hiervon aber schnell wieder. Grund dafür dürfte die Einführung des Angoraherdbuches im Jahr 1948 und die Stationsprüfungen gewesen sein. Durch die Weitsicht der Züchter und die straffe Selektion auf Leistung konnte die Wirtschaftlichkeit der Angora Kaninchen durch eine enorme Ertragssteigerung ihrer Wolle erreicht werden.

Von den vorkriegszeitlichen Wollerträgen eines Deutschen Angora Kaninchens von rund 400 Gramm jährlich, gelang schon in den 70er Jahren eine Wollausbeute von bis zu 1000 Gramm pro Tier und Jahr. Damit zählen Angora Zuchtstämme aus Deutschland zu den leistungsfähigsten weltweit, wobei die Wollproduktion hierzulande heute kaum noch eine wirtschaftliche Rolle spielt.

Weltweit werden jährlich schätzungsweise 10.000 Tonnen Angorawolle erzeugt, 5 Tonnen stammen aus Deutschland, während China mit 9000 Tonnen das Hautperzeugerland darstellt.

Aussehen der Angora Kaninchen

Das Angora Kaninchen ist mit einer markanten Optik gesegnet, welche es so unverwechselbar macht. Bis zu 5 Kilogramm bringt das Kaninchen, was nur aus Fell zu bestehen scheint, auf die Waage.

Die Körperform des Angora Kaninchens lässt sich nur durch Abtasten überprüfen, Fehler somit nicht auf den ersten Blick erkennen. Trotzt wallender Mähne sieht der Rassestandard aber bestimmte Vorgaben zu Körperbau und Form des Angoras vor, die es einzuhalten gilt. So sollte das Kaninchen von walzenförmiger Statur sein. Der tiefe, breite Stand wird dabei durch einen breiten, ebenmäßigen Rücken mit gut gerundeter Hinterpartie ergänzt.

Der kurze Kopf ist geprägt durch eine volle Backenpartie mit breitem Stirn- und Schnauzenbereich. Besonders auffallend sind die fleischigen, aufrecht getragenen Ohren, die gut behaart und mit dem charakteristischen Fellpuschel an der Spitze ausgestattet sind.

Rammler und Häsin gleichen sich, wobei ältere Häsinnen auch eine Wamme aufweisen dürfen.

Die Farben der Angora Kaninchen

Die typische Angora Farbe ist die des weißen Albinos, obschon auch farbige Angora Kaninchen anerkannt sind. Als man die ersten Albino Angoras einführte, wurden sie mit Normalhaarrassen gekreuzt, was zu einer entsprechenden Farbvielfalt führte. Ende des 19. Jahrhunderts gab es somit in Deutschland schon schwarze, wildfarbige und blaue Angora Kaninchen, später auch gelbe, fehfarbene, braune und madagaskarfarbene Angoras.

Züchterisch ist es einfach, durch Farbfaktoren den Albinofaktor zu übertünchen, bzw. zu verdrängen. Problematisch hierbei ist jedoch, dass hierdurch nicht nur der Albinofaktor, sondern auch der Langhaarfaktor verdrängt wird und eine besondere Zuchtintention verlangt. Eine gleichmäßige Farbgebung ist dabei jedoch nicht zu erzielen, da Deck- und Unterfarbe hinsichtlich der Farbintensität voneinander abweichen, was wiederum den wirtschaftlichen Wert schmälert.

Die züchterischen Bemühungen und die wirtschaftlichen Einbußen nahmen nur wenige Züchter auf sich und so ist das weiße Angorakaninchen deutlich weiter verbreitet, als seine farbigen Brüder und Schwestern.

Haltung von Angora Kaninchen

Die Haltung von Angora Kaninchen unterscheidet sich nur hinsichtlich einiger weniger Punkte von der Haltung „normaler“ Kaninchen. In Bezug auf ihre Behausung stellen Angora Kaninchen kaum Ansprüche. Ein großer Auslauf sollte ihnen auf jeden Fall zur Verfügung stehen, denn Angora Kaninchen sind sehr lebhaft und haben einen starken Bewegungsdrang.

Von einer Haltung auf Rosten kann getrost abgesehen werden, auch auf einer Stroheinstreu bleibt das Fell der Kaninchen sauber. Bei der Haltung sollte jedoch bedacht werden, dass Angorakaninchen mehrmals im Jahr geschoren werden müssen und in der Übergangszeit des Fellnachwachsens bei entsprechender Witterung frieren! Auch eine Haltungstemperatur über 35 Grad muss vermieden werden, da die Dichte des Haarkleides sonst zu Überhitzung des Kaninchens führt. Durch das permanente Fellwachstum sollte die Pflege der Angora Kaninchen ebenfalls nicht unterschätzt werden. Neben der Schur muss das Fell regelmäßig gebürstet werden, um Verfilzungen vorzubeugen.

Dem stetigen Fellwachstum ist es außerdem zuschulden, dass die Fütterung der Angora Kaninchen entsprechende Sorgfalt verlangt. Der Energiebedarf ist nämlich wesentlich höher, als der eines Normalhaarkaninchens in der gleichen Gewichtsklasse. Der Handel hält spezielles Angora Futter bereit, das nicht nur mehr Energie erhält als normales Kaninchenfutter, sondern auch einen höheren Gehalt an für das Fellwachstum wichtigen Aminosäuren aufweist.

Besonderheiten bei Angora Kaninchen

Ein Spitzen-Angora-Kaninchen kann bis zu 2 Kilogramm Wolle pro Jahr liefern. Normale Angora Kaninchen bringen es auf ein Kilogramm. Schuld daran ist das permanente und sehr schnelle Haarwachstum der Hoppler, das außerdem keinem jahreszeitlichen Fellwechsel unterworfen ist. Bleibt das Tier „in seiner Wolle“, nimmt die Vitalität stetig ab, die Tiere magern ab, bekommen Verdauungsstörungen und wirken apathisch. Eine Schur des Angora Kaninchens ist also ein absolutes Muss und erfolgt in der Regel 4 Mal im Jahr.

Während bei der Winterschur darauf zu achten ist, dass die Angoras nach der Schur nicht frieren, darf in den heißen Sommermonaten gerne eine Extraschur eingelegt werden, um Überhitzungen zu vermeiden.

Nach der Schur setzt das Fellwachstum beim Angora nach zwei bis drei Tagen wieder ein, nach etwa 10 Tagen hat das Angorakaninchen sein normales Fellkleid wieder! Obschon dieser Besonderheiten ist das Angora Kaninchen für die heimische Hobbyhaltung kaum geeignet!